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Objekt des Monats
Juni 2019

Saillon-Marmor / Alter Friedhof und Kirche Saillon (Schweiz, Kanton Wallis/Valais)

von Ferdinand Heinz (Dresden)


Saillon ist eine kleine Stadt im Mittelwallis, das zum französischsprachigen Teil des Schweizer Kantons Wallis/Valais gehört und die seit 1271 das Stadtrecht besitzt. Sie liegt auf einem Felssporn im Bereich einer weitgehend abgetragenen größeren Burganlage der Savoyer, die zur Sicherung der Wege durch das Rhonetal bestand.

Der alte Friedhof von Saillon an der Kirche dient heute nicht mehr seinem ursprünglichen Zweck. Zwischen den erhaltenen historischen Grabmalen, von denen mehrere aus Saillon-Marmor gefertigt sind, wurden mittelalterlich genutzte Kräuter angepflanzt und mit Erläuterungen sowie Namensschildern versehen. Daher trägt der alte Friedhof nun den Namen Jardin Médiéval (etwa: Garten des Mittelalters). Er befindet sich etwa in der Mitte des historischen Ortszentrums und gewährt einen lohnenswerten Ausblick über den Ort und in das Tal der Rhone.

Versuche und ertragreiche Zyklen eines regulären Marmorabbaus westlich von Saillon sind seit 1832 durch die Forschungen von Henri Thurre archivalisch nachgewiesen worden. Die Abbauaktivitäten endeten im Jahre 1981. Es gab zwei Steinbrüche. Die zugängliche Lagerstättensituation ist im internationalen Vergleich sehr gering.

Die noch vorhandenen historischen Grabmale sind fast alle nur in kleiner Dimension gehalten und von handwerklich vorzüglicher Ausführung. Dank der milden Witterung in der Region und der Pflege sind die Marmorobjekte mit ihren feinen Verzierungen verhältnismäßig gut erhalten. Sogar im trockenen Zustand sind die Farben und Strukturen des Gesteins noch gut erkennbar.

Das säulenförmige Denkmal für einen früheren Staatsrat und Politiker Maurice Barman (1808-1878) besteht aus drei Teilen, dem Sockel, einem Säulenkörper und die ihm aufgesetzte symbolische Aschenurne (Bild unten). Die Urne steht für eine antiklerikale Aussage. Die Säule besteht aus dem Cipollinmarmor von Saillon. Ihr Sockel wurde aus der dunkelgrün gebänderten Sortierung "Vert moderne" gefertigt. Das Denkmal wurde im April 1879 unter großer öffentlicher Beteiligung eingeweiht.

Das Familiengrab von Jean Baptist Roduit (1815-1891), Marie Victoire Roduit (1823-1873) und Jos. Antoine Roduit (1860-1889) besteht aus einem Sockel und einem Säulenstumpf, der wegen seines flach gearbeiteten Kopfes vermutlich früher einen Aufsatz, beispielsweise eine Schmuckurne trug. Das verbliebene Grabmal wurde in zwei Stücken aus dem Cipollinomarmor von Saillon gefertigt. Die beiden Werkstücke bestehen aus einer zurückhaltend grün gestreiften Partie des häufig elfenbeinweißen Marmors, die "mit dem Lager" gebrochen wurde. Der Säulenkörper trägt die Namen und Lebensdaten des Ehepaars Roduit. Aus dem nach unten ausschwingenden Sockel wurde eine Kartusche mit zurückhaltender Verzierung für einen weiteren Namenszug plastisch ausgearbeitet.

Das kleine Grabmal für Maurice Marie Fumeaux an der östlichen Kirchwand ist ein nach oben konisch verlaufender Obelisk mit spitzwinkliger Abdachung. Durch seine Geometrie sind die grünen und violetten Bänderungen sowohl "mit dem Lager" als auch "gegen das Lager" sehr gut erkennbar.

Die Altäre im Innenraum der Kirche von Saillon sind Arbeiten aus dem zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts. Der Marmorbildhauer Henri Vicarini aus Sierre (VS) schuf zwischen 1933 und 1934 die beiden baugleichen Seitenaltäre. Ihre Sockelelemente, Tische, Seitenteile und das Retabel sind aus verschiedenen Varianten des Saillon-Marmors gefertigt. Nur der unterste Sockelstreifen des Retabels besteht aus der rotbraunen Kalkbrekzie Truchefardel, gewonnen bei Yvorne im Unterwallis. Abdeckplatten am Hauptaltar wurden aus einem schwarzen belgischen Kalkstein gefertigt. Seine Frontverkleidung bilden spiegelbildlich aufgeschnittene Platten des Saillon-Marmors. Im Jahre 1944 kam es unter Leitung des mit Marmorausstattung erfahrenen Architekten Lucien Praz zu weiteren Natursteinarbeiten im Kircheninnenraum. Obwohl die Steinbrüche geschlossen waren, wurden dafür verbliebene Lagermaterialien genutzt.

Altäre mit betonter Anwendung des Saillon-Marmors gibt es beispielsweise in den Walliser Kirchen von Bex, Chamoson, Ecône und Haute-Nendaz sowie im waadtländischen Vevey. Seine internationale Verbreitung ist groß. Die in Deutschland umfangreichste bekannte Anwendung befindet sich im Dom zu Aachen als Wandverkleidungen im Oktogon und Sechzehneck.

Die Association des Amis du marbre cipolin de Saillon (Vereinigung der Freunde des Cipollinomarmors von Saillon) informiert mit Führungen und anderen Veranstaltungen über das Gestein, seine kulturhistorische Bedeutung in der Architektur und Kunst sowie über die Geschichte der mit dem Abbau und der Verarbeitung verbundenen Personen. Seit November 2017 gibt es in Saillon eine Ausstellung zur Thematik im Maison du Marbre (Haus des Marmors) in der rue St Jacques 24.


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Grabmal Barman
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Grabmal Fumeaux
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Grabmal Roduit
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Marbre de Saillon (Saillon-Marmor)
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Steinbruch Saillon (Detail)
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Steinbruch Saillon


Alle Bilder © Ferdinand Heinz

Objekt:
Kirche St. Catherine und alter Friedhof von Saillon (VS), l'eglise St Catherine et ancien cimetière de Saillon

Lage:
Kirche St. Catherine von Saillon (VS)
Eglise Sainte-Catherine
Zugang über die rue Saint-Sulpice
1913 Saillon
GPS: 46.171449, 7.184610

Entstehungszeit:
1740

Baustil:
Grabmale; neostilistische Sepulkralarchitektur

Gestein/e:
Marbre de Saillon (Marmor)
ferner
Marbre de Truchefardel (rote Kalkbrekzie)
Marbre noire belge (Kalkstein), vermutlich "Petit granit" aus der Umgebung von Sprimont

Gesteinsart: Marmor (Saillon)

Alter / Lithologie: Saillon-Marmor; nachträglich tektonisch verformte Kalksteine der Kreide, metamorphe Überprägung und Auswalzung zu einer geringmächtigen Schichtenfolge von verschiedenfarbigen Marmoren in der Morclesdecke. Nach D. Decrouez, A. Ebert und K. Ramseyer (In: H. Thurre, 2009) ist die zeitlich Bestimmung der tektonischen Verformung sehr schwierig und soll zwischen dem unteren Oligozän (32 Mio.) und mittleren Miozän (13 Mio.) gelegen haben.

Herkunft: unterer und oberer (unterirdischer) Steinbruch von Saillon im Kanton Wallis/Valais (Schweiz)

Abbau: eingestellt (1981)

Literatur:

HENRI THURRE (2009): Du marbre au cœur des Alpes: Histoire de la carrière de Saillon. Fribourg.

ROLAND FLÜCKIGER-SEILER (2000): Die Bauernhäuser des Kanton Wallis, Band 2, Basel.

TONI P. LABHART (2002): Steinführer Bundeshaus Bern. Bern.

FRANCIS DE QUERVAIN (1969): Die nutzbaren Gesteine der Schweiz. Bern.


Weblinks:

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